75 Jahre SPD Ortsverein Hütschenhausen 1921 – 1996
Mit Stolz feiern wir dieses Jubiläum. 75 Jahre sozialdemokratische Politik in Hütschenhausen, das heißt auch, 75 Jahre Engagement für die Bürger vor Ort und kontinuierliche Basisarbeit.
Eigentlich feiern wir heute ein Doppeljubiläum, denn 1946, also vor 50 Jahren, nachdem die Militärregierung der alliierten Siegermächte die Gründung demokratischer Parteien wieder zugelassen hatte, wurde der SPD Ortsverein Hütschenhausen zum zweiten Mal gegründet. Viele Jahre stellte die SPD in unserer Gemeinde den Ortsbürgermeister und war in dieser Zeit an der Fortentwicklung des Ortes wesentlich beteiligt.
Heute ist die SPD eine allgemein anerkannte Volkspartei. Wer sich heute als Mitglied oder Sympathisant offen zur SPD bekennt, hat keine beruflichen oder sozialen Nachteile zu befürchten. Für die Nachkriegsgeneration eine banale Selbstverständlichkeit.
Blicken wir aber 75 Jahre und weiter zurück, so stellen wir fest, dass das Bekenntnis zur Sozialdemokratie meist mit Verlust an Ansehen und mit
persönlichen Diffamierungen verbunden war. Das Wort „Sozi“ galt als übles Schimpfwort. Wer für die Sozialdemokratie eintrat, mußte viel Mut und Zivilcourage aufbringen. Im Gründungsjahr 1921 war die Partei offiziell zwar anerkannt, die Sozialistengesetze waren wieder außer Kraft, doch in bürgerlichen Kreisen herrschte immer noch die Gutsherrenmentalität. Die Partei selbst war innerlich zerstritten und befand sich in einer Phase der Konsolidierung und Neuorientierung.
Eine chronologische Aufarbeitung der Hütschenhausener SPD-Geschichte vor 1933 ist uns heute leider nicht mehr möglich. Gründungsprotokoll, Sitzungsniederschriften, Mitgliederlisten und jeglicher Schriftverkehr wurden 1933 nach der Machtübernahme durch die faschistische Hitlerdiktatur beschlagnahmt. Die ehemaligen Gründungsmitglieder sind heute alle verstorben. Wir müssen uns deshalb auf private Aufzeichnungen sowie mündliche Überlieferung von Angehörigen der Nachfolgegeneration beschränken.
Diese Männer sollen 1921 den SPD-Ortsverein Hütschenhausen gegründet habe
Das genaue Gründungsdatum ist nicht mehr festzustellen, wir wissen aber, dass der SPD-Ortsverein 1921 von einigen Männern des Dorfes gegründet wurde. Die vermutlich 13 Gründungsväter fanden bald noch einige Gleichgesinnte und so wurde die SPD bis zur Machtergreifung durch die Nazis zu einer starken Kraft in Hütschenhausen. Für viele bahnbrechende Entwicklungen in Hütschenhausen, auch getragen durch das Genossen-schaftswesen, wurden damals die Weichen gestellt. So war der Bau einer Wasserversorgung für alle Haushalte und die Anschaffung eines Traktors durch die Genossenschaftsbauern für die damalige Zeit beileibe keine Selbstverständlichkeit. 1933 und in den Folgejahren wurden viele Sozialdemokraten von ihren Nachbarn beschimpft und denunziert. Einige von ihnen wurden von den braunen Machthabern sogar inhaftiert, aber
viele blieben dennoch ihrer Gesinnung treu. Nach Kriegsende, 1945, wurde Julius Rüb von der alliierten Militärregierung als unbelasteter Mann wieder als Bürgermeister eingesetzt. Bald danach, im März 1946, wurde der SPD-Ortsverein wiedergegründet.
An der Gründungsversammlung nahmen damals teil: Glück Hermann, Kurz Gustav, Lang Jakob, Leis Ernst, Rüb Julius, Rüb Karl, Sauerwein Ernst, Theis Willi, Vogelgesang Adolf und Wagner Ernst I. Am 15. September 1946, nach 13 Jahren Terror und Hitlerdiktatur, wurden in Rheinland-Pfalz erstmals wieder freie und demokratische Wahlen durchgeführt. Das Volk war zwar wieder frei, doch es war eine Freiheit in Elend und Not. Julius Rüb erhielt erneut das Vertrauen der Bürger und wurde zum Bürgermeister gewählt. Dieses Amt übte er dann bis 1960 aus.
Auszug aus den 1. Protokollbuch des SPD-Ortsvereins Hütschenhausen nach seiner Wiedergründung am 1. März 1946. Die SPD zog demnach mit 4 Kandidaten in die 1 .Gemeinderatswahl nach dem Krieg, angeführt von Julius Rüb.
Wie bereits in den zwanziger Jahren wuchs auch nach der Wiedergründung der Ortsverein schnell. Männer wie Ludwig Nicolay I., Ernst Christiner, Kurt Jörg, Walter Spicale, Alfred Meye, Ludwig Sauerwein, Fritz Strack und viele viele andere engagierten sich im Ortsverein und in der Gemeinde. Nach Julius Rüb und Fritz Strack leitete Horst Leitner die Gemeinde als Bürgermeister. Während der Ära Willi Brandt fanden viele junge Frauen und Männer in der SPD ihre politische Heimat. Eine aktive Juso-Gruppe, unter maßgeblicher Beteiligung von Karl Nicolay, später Ortsvereinsvorsitzender, dann Beigeordneter und Fraktionsführer, gab der Partei neue Impulse.
Die Fusion mit dem SPD-Ortsverein Spesbach im Zuge der Kommunalreform Ende der 60er Jahre ließ die Mitgliederzahlen nochmals stark steigen. Ernst Christiner führte den Ortsverein und nach dem Verlust der Mehrheit im Gemeinderat wurde Kurt Jörg Fraktionsvorsitzender. Lothar Junker rückte in die Fraktion nach, übernahm 1977 den Vorsitz des Ortsvereins und war 1979 Bürgermeisterkandidat der SPD. Überraschend wurde nach der knapp verlorenen Kommunalwahl nicht der Spitzenkandidat der CDU, Lothar Leßmeister, sondern Paul Junker von der
Mehrheitsfraktion zum Bürgermeister gewählt.
Gegen diesen sollte Lothar Junker bei der Gemeinderatswahl 1984 kandidieren, verließ aber ein Jahr zuvor Hütschenhausen um Verbandsbürgermeister in Otterbach zu werden. In dieser schwierigen Lage übernahm Klaus Höbel den Vorsitz des Ortsvereins und wurde Oppositionsführer. Auch während dieser Zeit in der Opposition war die SPD an der Weiterentwicklung des Dorfes maßgeblich beteiligt. Erinnern wollen wir in diesem Zusammenhang an die Diskussionen zum Standort des Bürgerhauses. Durch unermüdlichen Einsatz von Vorstandschaft und Fraktion, allen voran Ernst Christiner, konnte die SPD damals wahrlich in letzter Minute erreichen, daß unser schmuckes Bürgerhaus in der Ortsmitte auf dem Gelände „Paffe Garten“ erbaut wurde. Der Tag der Kommunalwahl 1984 war für die SPD-Hütschenhausen ein tragischer Tag. Ernst Christiner, der nach seiner Pensionierung als Gemeindebediensteter erstmals kandidieren durfte, verstarb am Wahltag. Mit ihm verlor die SPD einen Mann, der mit seiner Beharrlichkeit, seinem Einsatzwillen und seiner Überzeugungskraft zur Seele des Ortsvereins geworden war.
Bei der darauf folgenden Wahl 1989 erreichte die SPD in Koalition mit den Grünen wieder die Ratsmehrheit und Klaus Höbel wurde Bürgermeister. In den folgenden 5 Jahren wurde viel in der Gemeinde vorangebracht wie z.B. der Neubau des Kindergartens in Spesbach; Abschluß der Gasversorgung in Katzenbach und Spesbach; die Breitbandverkabelung; der II. Bauabschnitt im Baugebiet Triftweg, wobei durch eine neue Methode erstmals erreicht werden konnte, daß alle Bauplätze in kürzester Zeit auch wirklich bebaut wurden; die Errichtung eines Kompostierplatzes; die Friedhofserweiterung in Hütschenhausen; der Ausbau der Hauptstraße; der Spielplatz am Triftweg und nicht zuletzt wurde die Gemeindepartnerschaft mit Précy sur Oise eingeleitet.
In einer Bürgerversammlung in der Sporthalle Hütschenhausen überzeugten die besseren Argumente: das Bürgerhaus kommt „ins Paffe Garten“
Trotz dieser Leistungen mußte die SPD nach den Wahlen 1994 wieder in die Opposition.
Die Gründung einer auch für Nicht-SPD-Mitglieder offenen Juso-Arbeitsgemeinschaft, die auf Anhieb regen Zuspruch fand, zeigt, daß der Ortsverein weiterhin lebendig bleibt. Mit Tatkraft und persönlichem Engagement haben Mitglieder des SPD Ortsvereins in den vergangenen 75 Jahren die Gestaltung unseres Dorfes geprägt. Im Gedächtnis und in Anerkennung dieser Leistungen wollen wir auch in Zukunft dieses Werk zum Wohle der Bürger fortsetzen.